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Die Corona-Tagebücher
Hannah Zufall, 19.11.2020
"Ein Datum statt einer Überschrift. Das heißt meist nichts Gutes bei mir. Ich schreibe nur Tagebuch, wenn es mir besonders schlecht geht. Als letzte Ausfahrt biete ich mir meine eigene Sprache an, um übergroßes Chaos zu sortieren. Und nun ein Corona-Tagebuch führen? Schreibe ich so nicht die eigene Krise herbei, falls sie nicht eh schon da ist? Wäre das nicht der performative Akt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung? Mich erwischt dieser zweite Lockdown, während ich getrennt von Heimatstadt, vertrauten Menschen und routinierten Abläufen bin. Schreibstipendien bedeuten meist Einsamkeit, wenn auch eine frei gewählte. Der Lockdown aber legt sich wie eine zweite Watteschicht über meinen frisch bezogenen Alltag in der Fremde. Diese zweite Schicht zwischen mir und der Außenwelt lädt dazu ein, sich übermäßig mit sich selbst zu beschäftigen. Ich fürchte nur, ich möchte gar nicht so viel Zeit mit mir verbringen."
--- Beiträge von November 2020 bis April 2021 ---
Über mehr als vierzig Wochen hinweg haben zahlreiche Autor:innen und Autoren regelmäßig Tagebuch geführt. In dem kollektiven Textkorpus, das daraus entstanden ist, dokumentieren sich die Auswirkungen der COVID-Pandemie auf das alltägliche Leben und den Zustand der Gesellschaft. In einem Gewirr vielfältiger Stimmen zeichnet sich ein Bild dessen, was gewesen ist. Was werden wir daraus lernen?
Erste Welle: 11.3.2020 bis 28.7.2020
Helena Adler, Bettina Balàka, Birgit Birnbacher, Melitta Breznik, Ann Cotten, Nava Ebrahimi, Valerie, Fritsch, Monika Helfer, Lisz Hirn, Lucia Leidenfrost, Christian Mähr, Robert Pfaller, Benjamin Quaderer, Julya Rabinowich, Angelika Reitzer, Kathrin Röggla, Thomas Stangl, Michael Stavarič, Daniel Wisser.
Zweite Welle: 3.11.2020 bis 5.4.2021
Günter Eichberger, Gabriele Kögl, Stefan Kutzenberger, Egon Christian Leitner, Lydia Mischkulnig, Wolfgang Paterno, Birgit Pölzl, Barbara Rieger, Stephan Roiss, Verena Stauffer, Heinrich Steinfest, Hannah Zufall.